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Ökologisch-Botanischer Garten Bayreuth

Mit Muskelkraft und Minibagger: Kübelpflanzen im Botanischen Garten ziehen ins Freiland

Sechs Wochen dauert jedes Jahr der Umzug tausender Pflanzen aus den Gewächshäusern ins Freiland. Warum sich der Aufwand lohnt.

Jeden Sommer entsteht auf den Sandflächen vor den Gewächshäusern des Ökologisch-Botanischen Gartens Bayreuth ein Wald aus großen und kleinen Kübelpflanzen. Warum die Pflanzen umziehen und wie das funktioniert, verraten ihre Umzugshelfer.

Was man sich landläufig unter dem Begriff “Topfpflanze” vorstellt, wird hier vielfach überboten. Die Topfpflanzen aus dem Ökologisch Botanischen Garten (ÖBG) sind ein ganz anderes Kaliber. In schwarzen Plastiktöpfen mit bis zu 1.500 Litern Fassungsvermögen wachsen hier zum Beispiel Zitrusbäume, Palmen und Hibiskus. Im Frühjahr dürfen sie dann jedes Jahr aus den Gewächshäusern nach draußen auf die Sandflächen vor den Gewächshäusern.

Die Umzugshelfer arbeiten hart

Hinter diesem Umzug steckt viel Aufwand, planerisches Geschick, Muskel- und Maschinenkraft. Vier Gärtner, zwei Maschinisten und bis zu drei studentische Angestellte arbeiten hier sechs Wochen lang von 6:30 Uhr bis 16 Uhr, auch bei Regen. “Dann ist die Arbeit zwar etwas anstrengender, weil der Sand schwerer ist, aber man muss weniger angießen”, sagt Gärtner Michael Fell. Bis zum UNIKAT-Festival soll alles fertig sein. Dieses Jahr sollte das aber problemlos klappen, das Festival startet am 20. Juli 2024. 

“Der Prozess ist schon anstrengend, das gehört aber zum Beruf”, sagt Gärtner Stefan Leykauf. 600 bis 700 Kilogramm wiegen die Pflanzen, die er jedes Frühjahr mit dem Radlader aus den Gewächshäusern holt.

Einige Pflanzen überwintern im Schaugewächshaus, wo Gäste sie auch im Winter sehen können, andere stehen in einem Lager-Gewächshaus, das für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist.

Minibagger, Radlader und Muskelkraft arbeiten zusammen

 Zuerst verteilt das Umzugs-Team die größten Pflanzen auf der Fläche, dann die mittleren, schließlich die kleinsten, damit ein ansprechendes Bild entsteht. Für die genauere Anordnung gebe es aber keinen Plan, hier wird gefreestylt, so Fell.

Ein wendiger Kompaktlader holt die Pflanze zunächst aus dem Gewächshaus und übergibt sie an den Radlader, der sie mithilfe eines Greifarms an ihren neuen Platz im Freien bringt.

Dort entscheidet das Team dann die Details des Standorts. Wie soll die Pflanze ausgerichtet sein? Welchen Abstand soll sie zur Nachbarpflanze haben? Größere Pflanzen werden an Metallstreben befestigt, damit sie stabil stehen. Jetzt müssen alle zurücktreten. Der Minibagger hebt ein Loch im Sand aus, in das die Pflanze samt Topf vom Radlader befördert wird.

Gärtnerin Barbara Linhardt und Simon Schoger richten den Baum nun noch von Hand aus und schaufeln Sand in das Loch rund um den Topf. Nachdem alles festgeklopft ist, geht es mit der nächsten Pflanze weiter. Mehr Bilder zu dem Prozess gibt es bei uns auf Facebook.

Früher sei das alles mit reiner Muskelkraft passiert, erzählt Michael Fell. Da seien viele der Pflanzen aber auch noch kleiner und leichter gewesen. Der ÖBG in Bayreuth sei seines Wissens der einzige botanische Garten in Deutschland, der einen Topfpflanzen-Umzug in dieser Größe umsetze. 

Das Freigelände tut den Pflanzen gut

Warum der ÖBG diesen Kraftakt jedes Jahr macht? Ein Grund sei das Wohlbefinden der Pflanzen, so Michael Fell. “Beim Überwintern in der Halle stehen die Pflanzen sehr eng zusammen. Im Freigelände können sie sich besser entfalten.” Auch Schädlingsbefall sei draußen ein kleineres Problem. Dem würden Wind und Wetter entgegenwirken. Und die Ansteckungsgefahr sei natürlich auch nicht so hoch, wenn die Pflanzen mehr Abstand hätten.

Der Zeitpunkt für den Umzug werde jedes Jahr je nach Witterungsbedingungen festgelegt. “Unser Richtwert ist Mitte Mai”, sagt Fell. Früher seien immer die Eisheiligen abgewartet worden, mittlerweile seien die Bedingungen aber aufgrund des Klimawandels unberechenbarer geworden.

Und der zweite Grund? “Wir wollen die Pflanzen unseren Gästen natürlich ansprechend präsentieren”, sagt Michael Fell.

Ein botanischer Spaziergang um die Welt

Wenn alles fertig ist, können Gäste auf der Sandfläche einen Spaziergang über fünf Kontinente machen. Wie im gesamtem ÖBG werden die Pflanzen hier nach Kontinenten gruppiert. Vom Eingang kommend geht man also zuerst durch Afrika, dann durch die Kanaren und den Mittelmeerbereich, durch Südamerika, durch Australien und Neuseeland und schließlich durch Asien.

Mitte September kommen die Pflanzen dann wieder in die Gewächshäuser. Das gehe dann etwas schneller und dauere etwa vier Wochen, weil es dann weniger um Ästhetik gehe, so Fell. Bis dahin verbringen sie jetzt aber hoffentlich einen schönen Sommer im Sand.