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Bayreuth

Haare für die Meere: Bayreuther Friseurin betreibt aktiv Umweltschutz

Jacqueline Müller sammelt in ihrem Friseursalon in der Friedrichstraße abgeschnittene Haare. Sie sollen helfen, Gewässer von Öl zu befreien.

Jacqueline Müller hat am 1. Juni ihren Friseursalon “Soul&Scissors” in der Bayreuther Friedrichstraße eröffnet. Die Haare, die hier beim Schneiden auf den Boden fallen, landen aber nicht im Müll. Sie kommen in eine große Papiertüte, die in einer Ecke des Salons steht. Einmal im Monat werden diese Haare abgeholt.

Haare für gesunde Ozeane

Was dann mit den abgeschnittenen Haaren passiert? Sie kommen nach Bückeburg in Niedersachsen, wo das Unternehmen “Hair Help The Oceans” sie zu “Ölfängern” verarbeitet. Dazu werden die Haare zerkleinert, mechanisch verfilzt und zu Matten geformt oder mit zerkleinerten Korken in große Baumwoll-Schläuche gefüllt. Dann können sie an Badestränden Sonnencreme aus dem Wasser filtern oder nach Ölunglücken eingesetzt werden. Warum eignen sich Haare dafür überhaupt? “Haare können Öl wunderbar aufnehmen. Sie nehmen ja auch die natürlichen Fette der Kopfhaut auf”, sagt Jacqueline Müller. Ein Kilogramm Haare könne bis zu acht Kilogramm Öl aufsaugen, heißt es auf der Seite von “Hair Help The Oceans”. Haarlänge und Zustand der Haare seien dabei egal. “Das ist natürlich super, wenn man die Haare nicht wegwerfen will. Um zu Perücken weiterverarbeitet zu werden, brauchen die abgeschnittenen Haare ja eine gewisse Länge”, sagt Müller. Sie müssen mindestens 25 Zentimeter lang sein, kürzere Haare sind dafür nicht geeignet.

Jacqueline Müller hat sich umfassend informiert, was sie mit den Haarresten aus ihrem Salon machen könnte. “Ich habe auch in meinem Umfeld nachgefragt, ob Landwirte die Haare zum Düngen möchten. Da war aber wenig Interesse da.” Auch Jäger und Förster nutzen Menschenhaar, um Wild von Bäumen fernzuhalten. Da habe sie aber auch niemanden im Bekanntenkreis, sagt Müller. Also hat sie sich für “Hair Help The Oceans” entschieden. Das Unternehmen hat sie auf einer Friseurmesse kennengelernt. “Ich wusste schon, das der Verein ‘Coiffeure Justes’ (faire Friseure) aus Südfrankreich Ölfilter aus Haaren herstellt. Ich habe aber einen Anbieter gesucht, der in Deutschland ist”, sagt Müller. Für jeden Öffnungstag zahlt sie einen Euro, damit “Hair Help The Oceans” ihre Haarreste abholt und zu Ölfängern verarbeitet.

Zu den Einsatzorten der Filter von “Hair Help The Oceans” machen die Gründer Thomas Keitel und Emidio Gaudioso unterschiedliche Angaben. “Wir sind jetzt erst so richtig gestartet”, sagt Gaudioso. “Wir sind froh, dass wir noch nicht zum Einsatz kommen mussten.” Thomas Keitel dagegen sagt: “Unsere Haarmatten sind bereits im Einsatz.” Sie würden über die Organisation “matter of trust” verteilt.

“Ich will etwas zurückgeben”

“Ich freue mich einfach, wenn ich mit dem Müll, der hier anfällt, noch etwas Sinnvolles machen kann”, sagt Jacqueline Müller. Sie erzählt allen Kundinnen und Kunden nach dem Haarschnitt, was nun mit ihren abgeschnittenen Haaren passiert. “Und die Leute freuen sich auch, wenn sie nicht nur eine neue Frisur, sondern auch das Gefühl haben, etwas Gutes getan zu haben.” Es ist Jacqueline Müller wichtig mehr zu machen, als Haare zu schneiden. Einmal im Quartal plant sie deshalb ein kleines Sozial-Projekt, zu Weihnachten zum Beispiel gibt es eine Geschenke-Aktion. “Ich verdiene ja trotzdem meinen Lebensunterhalt mit dem Salon. Und da möchte ich etwas zurückgeben. Ich fände es schade, das nicht zu machen.” Müller möchte auch andere Friseure und Friseurinnen darauf aufmerksam machen, dass es für abgeschnittene Haare noch weitergehen kann.

Belehren will sie ihre Gäste im Salon aber nicht. “Manchmal entwickelt sich dann aber einfach so ein Gespräch, beispielsweise darüber, welche Sonnencreme man am besten nimmt, wenn man schwimmen geht”, sagt sie.

Nachhaltigkeit ist bei “Soul&Scissors” wichtig

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit denn insgesamt in der Ausbildung zur Friseurin? “Gerade weil man als Friseurin auch mit Chemikalien hantiert, ist Nachhaltigkeit natürlich ein Thema”, sagt Jacqueline Müller. Größere Mengen Haarfarbe zum Beispiel dürfen nicht einfach im Spülbecken entsorgt werden, sondern kommen in den Müll.

In ihrem Salon legt Müller Wert auf Nachhaltigkeit. Produkte, die Kundinnen und Kunden bei ihr im Salon kaufen, können sie sich zu einem günstigeren Preis dort wieder auffüllen lassen. “Somit sparen wir ganz viel Plastik und natürlich auch Versandwege, weil ich große Gebinde kaufen kann”, sagt Müller.

Sie versteht Nachhaltigkeit aber noch auf eine weitere Art. “Auch wenn ich Auszubildende habe, lege ich Wert auf Nachhaltigkeit. Ich halte überhaupt nichts von Mitarbeiterverschleiß”, sagt Jacqueline Müller. Einen Ausbildungsplatz möchte sie aktuell noch besetzen, auch eine Vollzeitstelle ist noch frei.

Friseurin sein heißt mehr als Haare schneiden

Friseurin zu sein ist ein sehr intimer Beruf, sagt Jacqueline Müller. “Klar kommen die Leute auch zum Routine-Haarschnitt. Aber es kommt eben vor, dass Menschen nach großen Lebensereignissen, zum Beispiel nach einer Trennung kommen, weil sie eine Veränderung wollen”, sagt sie. “Und dann kommt man eben ins Gespräch.” Sie legt großen Wert darauf, dass ihre Kundinnen und Kunden sich wohlfühlen. Dazu trägt auch Hündin Abby bei, die Gäste freundlich aber zurückhaltend empfängt. Jacqueline Müller hat viele Kundinnen und Kunden aus Goldkronach mitgebracht. Im neuen Salon in Bayreuth hat sie nun vier Plätze, in Goldkronach waren es zwei.

Den engen persönlichen Kontakt mit den Kundinnen und Kunden wollte sie behalten, deswegen bleibt es aktuell bei vier Plätzen. “Wenn hier ein Gewusel ist, das Telefon klingelt, draußen der Bus vorbeifährt und die Tür aufgeht, verlieren wir die Ruhe”, sagt Müller.

Diese ruhige Atmosphäre soll auch der Name des neuen Salons, “Soul&Scissors” widerspiegeln: “Es geht ums Handwerk, klar. Aber eben auch um das Persönliche. Das hier soll ein Ort zum Wohlfühlen sein”, sagt Jacqueline Müller.